Basmah: “… Mistkerl!”

Er … er kon­nte bei mir gar nichts erre­ichen, mit diesem Blick, gar nichts! Ich dachte ja über­haupt nicht daran, auch nur einen Augen­blick lang nicht wütend auf ihn sein zu kön­nen, oder … oder eher zu wollen; ich dachte nicht, nein, nicht EINEN Herz­schlag lang an die exo­tis­che graublaue Tiefe sein­er Augen oder … — bei Allah! — … oder sog­ar die Weich­heit sein­er Lip­pen, um die herum sich diese viel zu ver­lock­enden Lügen aus kleinen Grübchen bilde­ten, als er lächelte. Ich dachte an gar nichts davon, pah! Als kön­nte dieser unge­ho­belte Kerl mich mit solchen plumpen kleinen Tricks aus dem Konzept brin­gen! Ein­hal­tung mein­er Pflicht­en … Meine Sicher­heit? Ich schnaubte. Mich hat­te noch nie jemand vor irgen­det­was beschützt, also kon­nte er get­rost ganz schnell wieder seine dreck­i­gen großen Pfoten von mir nehmen; als ob ich seinen Schutz nötig hätte, jet­zt, wo mir prak­tisch schon alles zugestoßen war, was mir über­haupt passieren kon­nte – inklu­sive dieses … dieses … Und übri­gens, dieses vib­ri­erende, total un… unmen­schliche, jawohl, dieses Knur­ren, das sich für einen Mann, der etwas auf sich hielt, über­haupt nicht gehörte und das meine innere Wölfin von Unruhe gepackt im Kreis tänzeln ließ, aus­gerech­net jet­zt – das kon­nte er sich auch sonst­wo hinstecken!

Plöt­zlich ging ein Ruck durch ihn und ehe ich mich ver­sah, hing ich wehrlos­er als noch zuvor über sein­er Schul­ter, drück­te ebendiese mir in den Bauch, dass mir vor Schreck Momente lang die Luft weg­blieb und ich erstar­rte, ver­s­tummte aber vor allen Din­gen völ­lig. Das leise “Pling” des Aufzugs, das von unser­er Ankun­ft an der Erdober­fläche kün­dete, klang für mich fast ein biss­chen schaden­froh, und dann ver­nahm ich eine zweite männliche Stimme, die von irgend­wo genau dort herkam, wo sich jet­zt mein Hin­terteil befand! Ich spürte, wie sich das Blut heiß in meinen Wan­gen sam­melte und sie zum Glühen, nein, ger­adezu zum Bren­nen brachte, und das nicht nur, weil ich kopfüber hing und bei jedem Schritt prak­tisch gezwun­gen – ja, gezwun­gen! – war, aus entset­zt geweit­eten Augen direkt auf Chan­dlers uner­hört gut geformte Rück­an­sicht zu star­ren. Nein, es war die pure Scham, die mir die Röte ins Gesicht trieb, dicht gefol­gt von ein­er unbändi­gen Wut, die mich nur noch mehr beschämte. Wie kon­nte er nur! Wie kon­nte er mich nur auf eine so unzüchtige Weise vor aller Welt bloß stellen; mich in eine solch hil­flose und unvorteil­hafte Sit­u­a­tion brin­gen? Ich ver­suchte, um keinen Preis daran zu denken, wie viele für mich unsicht­bare Augen­paare ger­ade schon wieder auf mich gerichtet sein mocht­en, und noch viel weniger hat­te ich vor, mich dies­mal ein­fach so zu ergeben! Ich krallte meine Fin­ger in seinen Rück­en, und es war mir dabei egal, ob ich ihm wehtat. Obwohl … Moment. Nein, ich … ich wollte ihm wehtun, oh ja, ich würde ihn zerkratzen bis er blutete, und wenn das nicht reichte, dann würde ich außer­dem beißen, würde ihm so lange wehtun und dabei mit den Füßen vor seinem Gesicht herum zap­peln, bis er mich endlich runter ließ! Ich has­ste ihn! Ja, ich … ich HASSTE IHN, diesen ver­dammten … „… قذر !!!“, ent­fuhr es mir, wobei meine Stimme zwar nur einem schnei­den­den Zis­chen glich, doch in Wahrheit nichts anderes als ein hör­bares, wildes Zäh­ne­fletschen war.

Erschrock­en biss ich mir auf die Unter­lippe, als mir bewusst wurde, was mir da eben über die Lip­pen gekom­men war, und fühlte, wie sich die Schames­röte auf meinen ohne­hin schon sig­nal­rot leuch­t­en­den Wan­gen noch weit­er ver­tiefte. Vergessen waren die Schreck­en, die dort unten im Bunker auf mich lauerten, vergessen die Angst, die Bek­lem­mung, die erdrück­ende Panik, die mir die Luft zum Atmen abgeschnürt hat­te. Jet­zt ger­ade war Chan­dler der Inbe­griff mein­er per­sön­lichen Schmach. Als ich endlich erkan­nte, dass es nur einen Weg gab, wieder aus dieser unendlich beschä­menden Sit­u­a­tion her­auszukom­men, weil ich sowieso nicht gegen seine Kör­perkraft ankam, hörte ich auf, mich gegen ihn zur Wehr zu set­zen und atmete erschöpft durch. Trä­nen bran­nten mir in den Augen und inzwis­chen bran­nten auch meine Lip­pen, weil ich sie mir nahezu wund gebis­sen hat­te, nur, um den ganzen Rest an Beschimp­fun­gen gegen ihn nicht auch noch aus Verse­hen loszuw­er­den. Ich würde diesen Scheißk­erl nie wieder, niemals wieder … — und zwar NIE! — auch nur eines Blick­es würdi­gen, dessen kon­nte er sich sich­er sein, oder ein einziges Wort mit ihm sprechen. Von mir aus kon­nte er sich in Luft auflösen, denn genau das würde er ab sofort für mich sein: Nichts als pure Luft. Und vol­lkom­men unsicht­bar. Luft kon­nte man übri­gens auch nicht hören. Auf jeden Fall musste man ihr nicht zuhören, und deshalb kon­nte er sich aus seinen Anweisun­gen von mir aus ein Krönchen flecht­en. „Lassen Sie mich runter“, flüsterte ich schließlich kraft­los, und mein Puls häm­merte wild, dröh­nte mir in den Ohren. „… bitte.“

( قذر [qaðir] – Mistkerl!)

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