Laura J.: Der Feind in mir

Lau­ra schnaubte und funkelte ihn ärg­er­lich an. “Du hast gut reden. Erschaffe dir eine Welt — klar doch! Mir scheint, du hast genau­so wenig Ahnung von Men­schen, wie wir von Magiern! Für uns ist das alles nicht so leicht wie du es hin­stellst! Wir steck­en in unseren Kör­pern fest, wir haben Bedürfnisse, wir haben Gefüh­le. Und wir sind von fes­ter Materie umgeben, die wir nicht ein­fach mal eben durch­drin­gen oder umfor­men kön­nen, wenn es uns ein­fällt. Uns fehlt nun ein­mal etwas Wesentlich­es, das uns vom Fluss abschnei­det. Das hat nichts mit der ober­sten Exis­tenz zu tun, son­dern ein­fach nur mit Real­is­mus! Mit dein­er Magie hast du ein Werkzeug, zu erschaf­fen, ich aber nicht. Ja, gut, ich kann diese mordlüsterne Bestie, die bei Voll­mond die Kon­trolle über mich übern­immt, vielle­icht irgend­wann auch ein­mal mit anderen Augen sehen, wenn ich dazu gezwun­gen bin, und das bin ich ja offen­sichtlich, weil du mir wieder ein­mal nicht helfen willst! Und um genau zu sein: Dann muss ich sie irgend­wann ein­mal aus ein­er neuen Per­spek­tive sehen, denn anders kann ich nicht mit ihr leben! Du hast den Hass nicht gefühlt, der in diesem Wesen wohnt, du hast nicht jedes anderen Lebe­we­sen panisch davon laufen sehen, wann immer diese strahlen­den Voll­mondau­gen es gestreift haben. Dieser Wolf hat meine ganze Exis­tenz auf den Kopf gestellt! Er stellt alles in Frage, was mir jemals etwas bedeutet hat! Er macht mich zum Gegen­teil dessen, was ich sein will, was ich immer sein wollte! Ja, ich habe viel durchge­s­tanden, aber jet­zt frage ich mich, wofür? Mein ganzes ver­dammtes Leben scheint plöt­zlich nur noch eine Lüge zu sein! Erst recht, seit ich dich kenne! Und mach mir nicht weis, dass du das ver­stehst, Magi­er! Es gibt da näm­lich eine Sache, die dir fehlt: Begren­zung. Eben­so, wie mir diese eine Sache fehlt, um sie zu über­winden — Magie.”

Sie seufzte und zog die Schul­tern hoch, als sie einen Blick auf die Ameise warf. “Natür­lich hast du recht, wenn man die Rela­tio­nen zueinan­der sieht, aber das macht doch nur den großen Unter­schied deut­lich­er. Ich kann der Ameise auch nicht Tipps geben, ihr Ameisen­leben mit meinen Men­schenau­gen zu sehen und durch meine Men­schen­fähigkeit­en ihre Prob­leme zu lösen.” Dann erwiderte sie seinen Blick ein paar Atemzüge lang, ohne weit­erzus­prechen. “Ich werde schon gejagt, weil ich manch­mal nachts durch die Straßen irre und mich hin­ter­her nicht mehr daran erin­nern kann. Denkst du wirk­lich, das alles ein­fach hinzunehmen, ist für mich eine Lösung? Oder auch nur eine Moti­va­tion, mich mit der Bestie in mir anzufre­un­den?”, sagte sie schließlich ruhiger. Auch wenn sie es mit keinem Wort zugab, stimmte das, was er gesagt hat­te, sie doch nach­den­klich. “Weißt du … ver­mut­lich habe ich nur deshalb zuges­timmt, als deine Cho­sen One in einen so irrwitzi­gen Kampf zu gehen, weil ich ohne­hin lebens­müde bin. Am Ende hat es somit wenig­stens irgend einen Sinn gemacht.” Lau­ra riss den Blick von ihm los und legte die Karten auf den Tisch. “Und jet­zt bring mir ein paar Tricks bei!”