Neferu-Ptah: Gebrandmarkt

So mochte allein das Wis­sen darüber, was von ihr erwartet wurde, Neferu-Ptah dazu zwin­gen, langsam zu nick­en, nach­dem Chef­tu sie gefragt hat­te, ob sie die Male sah und sie ballte ihre schmalen, kleinen Hände zu zit­tri­gen Fäusten, während sie gegen die Furcht ankämpfte, den Kör­p­er aufrichtete und das Kinn hob, wie die Pries­terin­nen es sie gelehrt hat­ten. Trotz stieg mit einem Mal in ihr auf — sie kon­nte sowieso nicht fliehen, war gefan­gen wie ein Kan­inchen in der Falle und von allen Seit­en anges­tar­rt. Dann würde sie es eben allen zeigen! Die kleine Her­rin kon­nte nichts gegen die Angst aus­richt­en, die ihr die Knie weich wer­den ließ, doch sie würde sie um keinen Preis zeigen. Sie zog die Nase hoch und blinzelte die Trä­nen weg, dann fol­gte sie Chef­tu, den Blick stur auf den Ifrit geheftet, als würde sie ihn als ihr unauswe­ich­lich­es Schick­sal akzep­tieren, auch, wenn sie schon jet­zt wusste, dass sie ihn noch viel mehr fürchtete als Chef­tu — und außer­dem has­ste sie ihn. Als würde der Dämon ihre Empfind­un­gen erwidern, begann dieser plöt­zlich an seinen Ket­ten zu zer­ren und der gesamte Palast erzit­terte erneut, nur, dass die kleine Her­rin und alle Anwe­senden sich nun im Epizen­trum des Bebens befan­den. Sie schrak trotz aller guten Vorsätze zurück, blieb ste­hen und rang sowohl um ihr Gle­ichgewicht, als auch um ihre Fas­sung, als die Angst ihr erneut die Kehle zuschnürte. Atme, kleine Her­rin, konzen­triere dich auf deine Atmung, erk­lang die Stimme der Hohe­p­ries­terin in ihrer Erin­nerung und Neferu-Ptah klam­merte sich an dieses kleine Rit­u­al, von dem die Pries­terin­nen der Isis ihr gesagt hat­ten, sie könne jedes­mal wieder darauf zurück­greifen, wann immer ihr ein Hin­der­nis unüber­wind­bar erschien oder Furcht sie in ihren Entschei­dun­gen ein­schränk­te. Die tiefe Atmung in die Kör­per­mitte hinein, dor­thin, wo die Kraft der Sonne ruhte, stärk­te und nährte den Kör­p­er, klärte den Geist und die Sicht auf die Dinge, so dass man mutig und frei voran­schre­it­en kon­nte. Chef­tus War­nung kam im sel­ben Moment und die kleine Her­rin nick­te erneut langsam, dann ging sie entschlossen weiter.

Der Blick des Ifrit schien sich bis in Neferu-Ptahs noch kindliche Seele hineinzufressen und seine Worte dröh­n­ten, groll­ten, loderten wie ein verzehren­der und erschüt­tern­der Nach­hall in ihr. Noch ein­mal wan­derte der Blick der kleinen Her­rin hil­fe­suchend gen Chef­tu, als der Dämon von ihr ver­langte, vor ihm niederzuknien. Es war nicht ein­fach für ein junges Mäd­chen, sich der her­rischen Befehle eines solch machtvollen Wesens zu wider­set­zen und mit jedem Wort schürte er ihre Angst nur noch mehr, bis sie glaubte, ihr nicht mehr gewach­sen zu sein. Doch Chef­tu blieb unnachgiebig, eben­so wie der Dämon. Sie schluck­te. Allein der Totenbeschwör­er würde ihr Zit­tern spüren, sobald sie eben­falls nach dem Bran­deisen griff und sich über den toben­den Ifrit beugte, während Chef­tu bere­its die Formeln murmelte. Die kleine Her­rin fühlte sich wie ein fil­igraner Zweig, welch­er zwis­chen zwei Ele­menten erbar­mungs­los zer­brochen wurde. In all der Hitze perlte längst Schweiß auf ihrer Stirn und tränk­te einzelne, samtig schwarze Haarsträh­nen; gle­ich­wohl aber war ihr tief im Inner­sten eiskalt. Am lieb­sten hätte sie die Hände hochgeris­sen und auf ihre Ohren gepresst, die Augen fest zugeknif­f­en und sich vorgestellt, all dies hier sei nur ein übler Traum, aus dem sie jeden Moment wohlbe­hütet erwachen würde. Doch sie kon­nte, durfte es nicht. “Bleib stark, Prinzessin!”, hörte sie Amen­emhet III. liebevoll und erfüllt von zufrieden­em Stolz flüstern, als das Eisen sich qual­mend in die Brust des Ifrit bran­nte, zugle­ich mit dessen Blick, einem glutvollen Dolch gle­ich, dun­kler noch als des Mäd­chens eigene furchter­füllte Schwärze, der wider­stand­s­los Neferu-Ptahs See­len­spiegel durch­stach und sie von innen her­aus zu ent­flam­men schien. Es mochte der Moment sein, in dem die kleine Her­rin ihre Kind­heit und Unschuld endgültig und für immer hin­ter sich ließ.

Laura J.: Der Feind in mir

Lau­ra schnaubte und funkelte ihn ärg­er­lich an. “Du hast gut reden. Erschaffe dir eine Welt — klar doch! Mir scheint, du hast genau­so wenig Ahnung von Men­schen, wie wir von Magiern! Für uns ist das alles nicht so leicht wie du es hin­stellst! Wir steck­en in unseren Kör­pern fest, wir haben Bedürfnisse, wir haben Gefüh­le. Und wir sind von fes­ter Materie umgeben, die wir nicht ein­fach mal eben durch­drin­gen oder umfor­men kön­nen, wenn es uns ein­fällt. Uns fehlt nun ein­mal etwas Wesentlich­es, das uns vom Fluss abschnei­det. Das hat nichts mit der ober­sten Exis­tenz zu tun, son­dern ein­fach nur mit Real­is­mus! Mit dein­er Magie hast du ein Werkzeug, zu erschaf­fen, ich aber nicht. Ja, gut, ich kann diese mordlüsterne Bestie, die bei Voll­mond die Kon­trolle über mich übern­immt, vielle­icht irgend­wann auch ein­mal mit anderen Augen sehen, wenn ich dazu gezwun­gen bin, und das bin ich ja offen­sichtlich, weil du mir wieder ein­mal nicht helfen willst! Und um genau zu sein: Dann muss ich sie irgend­wann ein­mal aus ein­er neuen Per­spek­tive sehen, denn anders kann ich nicht mit ihr leben! Du hast den Hass nicht gefühlt, der in diesem Wesen wohnt, du hast nicht jedes anderen Lebe­we­sen panisch davon laufen sehen, wann immer diese strahlen­den Voll­mondau­gen es gestreift haben. Dieser Wolf hat meine ganze Exis­tenz auf den Kopf gestellt! Er stellt alles in Frage, was mir jemals etwas bedeutet hat! Er macht mich zum Gegen­teil dessen, was ich sein will, was ich immer sein wollte! Ja, ich habe viel durchge­s­tanden, aber jet­zt frage ich mich, wofür? Mein ganzes ver­dammtes Leben scheint plöt­zlich nur noch eine Lüge zu sein! Erst recht, seit ich dich kenne! Und mach mir nicht weis, dass du das ver­stehst, Magi­er! Es gibt da näm­lich eine Sache, die dir fehlt: Begren­zung. Eben­so, wie mir diese eine Sache fehlt, um sie zu über­winden — Magie.”

Sie seufzte und zog die Schul­tern hoch, als sie einen Blick auf die Ameise warf. “Natür­lich hast du recht, wenn man die Rela­tio­nen zueinan­der sieht, aber das macht doch nur den großen Unter­schied deut­lich­er. Ich kann der Ameise auch nicht Tipps geben, ihr Ameisen­leben mit meinen Men­schenau­gen zu sehen und durch meine Men­schen­fähigkeit­en ihre Prob­leme zu lösen.” Dann erwiderte sie seinen Blick ein paar Atemzüge lang, ohne weit­erzus­prechen. “Ich werde schon gejagt, weil ich manch­mal nachts durch die Straßen irre und mich hin­ter­her nicht mehr daran erin­nern kann. Denkst du wirk­lich, das alles ein­fach hinzunehmen, ist für mich eine Lösung? Oder auch nur eine Moti­va­tion, mich mit der Bestie in mir anzufre­un­den?”, sagte sie schließlich ruhiger. Auch wenn sie es mit keinem Wort zugab, stimmte das, was er gesagt hat­te, sie doch nach­den­klich. “Weißt du … ver­mut­lich habe ich nur deshalb zuges­timmt, als deine Cho­sen One in einen so irrwitzi­gen Kampf zu gehen, weil ich ohne­hin lebens­müde bin. Am Ende hat es somit wenig­stens irgend einen Sinn gemacht.” Lau­ra riss den Blick von ihm los und legte die Karten auf den Tisch. “Und jet­zt bring mir ein paar Tricks bei!”